Zwei Welten in Hornstein?

Nachbetrachtungen zum Ergebnis der Landtagswahl 2020 in Hornstein

Die burgenländische Landtagswahl ist geschlagen. Man spricht von einer historischen Wahl. Die burgenländische Sozialdemokratie hat geschafft, was in jüngerer Vergangenheit der konservativen türkisen Nouvelle vague vorbehalten war: Wahlen gewinnen! Allen Bemühungen zum Trotz, ist die türkise Welle vorerst einmal gebrochen. Sie brach im nun absolut sozialdemokratisch geführten Burgenland.

»Das Beste aus zwei Welten« – so zeichnete der nunmehr erneut amtierende Bundeskanzler Sebastian Kurz das Bild „seiner“ türkis-grünen Bundesregierung. Ja, die „Bildermaschine“ läuft wieder. Man gewinnt den Eindruck, dass sich Türkis und Grün darauf geeinigt haben, keinen kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht zu haben. Weder für das Regierungsprogramm, noch für „die neue Form“ des Regierens. Stattdessen werden „zwei Welten“ klar voneinander abgegrenzt und nebeneinander gestellt. Jede der Koalitionsparteien versucht für sich, ausgehend von ihrer jeweiligen und parallel zur anderen verlaufenden Welt, die eigenen Vorhaben durchzubringen. Das Trennende wird so vor das Gemeinsame gestellt und interessanterweise als neue Form des Regierens sogar europaweit beachtet und vor allem wie gewohnt marketingmäßig entsprechend verkauft.

Aus der persönlichen Lebenswelt der Bürger heraus betrachtet, wundert man sich. Man möchte doch Orientierung, Halt und eine gewisse Stabilität! Wir alle leben doch in ein und derselben Welt! Diese wird jedoch durch derart konstruierte Weltbilder von Seiten des Bundeskanzlers gedanklich allzu leichtfertig zertrennt und aufgespalten. Ist das sinnvoll? Ist irgendetwas davon gesellschaftlich verbindend? Oder müsste man etwas überspitzt und pointiert betrachtet sogar von einer bis zu einem gewissen Grad fast schizophren anmutenden Konstellation sprechen?
Ja, in einer Idealwelt ist es die wesentliche demokratiepolitische Herausforderung und Pflicht der Parteien, ausgehend vom Wählervotum (und der daraus resultierenden Arithmetik) entsprechende Kompromisse zu verhandeln, um glaubwürdig einen tragfähigen und für alle Bürgerinnen und Bürger fruchtbaren Konsens zu schaffen. Man möge doch dem Land und der Gesellschaft den gemeinsamen Weg in eine bessere Zukunft zeigen und versuchen alle dorthin mitzunehmen. Soviel zum demokratiepolitschen Wunschdenken.

Zwei Welten auch am Land?

Nicht nur auf bundespolitischer Bühne werden neuerdings mehrere und unterschiedliche Welten konstruiert und herbeigeredet. Auch auf der kommunalpolitischen drehen sie sich nach dieser Landtagswahl weiter. Einiges ist in Bewegung. So scheint es, so hört und liest man dieser Tage in den hiesigen Regionalmedien. Bei all den Bewegungen findet man zum Glück festen Halt in den Fakten. Konkret im Wahlergebnis der Burgenländischen Landtagswahlen vom 17. und 26. Jänner 2020 dem ein opulenter Wahlkampf vorangegangen war. Der Hornsteiner Wahlkampf war eine Materialschlacht der besonderen Art, zumindest bezogen auf das Plakataufkommen im Ortsgebiet. Mehrere Großplakate begrüßten uns an den Ortseinfahrten. Alle Höhen und Tiefen wurden dabei bespielt. Neuartige, auf Beleuchtungsmasten montierte Halbschalenplakate verkündeten Wahlbotschaften von oben. Unten, auf Straßenniveau, sollte man ihnen auf Augenhöhe begegnen.

Das Hornsteiner Ergebnis:

SPÖ: 894 Stimmen (51,11%) [2015: 729 Stimmen (45,48%)]
ÖVP: 499 Stimmen (28,53%) [2015: 457 Stimmen (28,51%)]
FPÖ: 163 Stimmen (9,32%) [2015: 192 Stimmen (11,98%)]
Grüne: 149 Stimmen (8,52%) [2015: 128 Stimmen (7,99%)]
LBL: 8 Stimmen (0,46%) [2015: 57 Stimmen (3,56%)]
Neos: 36 Stimmen (2,06%) [2015: 34 Stimmen (2,12%)]

Quelle: https://wahl.bgld.gv.at abgerufen am 4.2.2020

Was ist daraus abzulesen? Wie im gesamten Burgenland ist auch in Hornstein die SPÖ eindeutiger Gewinner dieser Wahlauseinandersetzung. Die Grünen gewannen 0,53% an Stimmen dazu. Auch die türkise ÖVP, die in Hornstein die Mehrheit im Gemeinderat hat und hier sogar den Bürgermeister stellt, gewann hinzu: 2 Promille. Um 42 Wahlstimmen mehr als bei den letzten Landtagswahlen 2015.

Dieser Zugewinn lädt dazu ein, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Hornstein ist ein beliebte „Zuzüglergemeinde“. Die Gesamtbevölkerung Hornsteins ist seit dem letzten Urnengang im Jahre 2015 immerhin um ~8% (ca. 230 Menschen) angewachsen. Somit waren bei der vergangenen Landtagswahl vom 17. u. 26.01.2020 um 131 mehr Menschen als WählerInnen zugelassen als noch im Jahr 2015 (2015: 2337  zu 2020: 2468) bei einer gestiegenen Wahlbeteiligung um 1,55%. Quelle: www.wahldatenbank.at

Der Zugewinn der SPÖ beträgt 165 Stimmen, der der ÖVP 42 Stimmen.
Auch die Neos konnten im Vergleich zur letzten Landtagswahl dazu gewinnen (2 Stimmen), mussten aber aufgrund der erhöhten Anzahl an Wahlberechtigten einen Verlust von 6 Promillepunkten hinnehmen.
Die Liste Burgenland (LBL) verlor 49 Stimmen (3,10%).

Lässt sich dieses, letztlich für die SPÖ außerordentlich gute und die ÖVP eher bescheidene Ergebnis von der ÖVP Hornstein dennoch als Erfolg verkaufen? Bürgermeister Christoph WOLF kann es.

Das Ergebnis der Vorzugsstimmen ist ebenfalls bemerkenswert. Der Bürgermeister und Spitzenkandidat aus Hornstein, ÖVP-Landesgeschäftsführer BgM Mag. Christoph WOLF, konnte auf der Landesliste der türkisen ÖVP 981 Vorzugsstimmen erreichen (über alle Wahlkreise des Burgenlandes berechnet). In dessen Heimatwahlkreis (Eisenstadt-Umgebung) konnte WOLF 666 Vorzugsstimmen sammeln.
BgM WOLF wurde auf der türkisen Landesliste auf den 10. Platz gereiht. Diesen Platz hat er verloren. BgM WOLF ist im Vergleich mit zehn anderen ÖVP-Kandidaten auf den 11. Platz abgerutscht. Thomas STEINER (Landesparteiobmann der türkisen ÖVP und Bürgermeister von Eisenstadt), sowie auch Patrik FAZEKAS (Oberpullendorf) und acht weitere Kandidaten überholten mit mehr als 1000 Vorzugsstimmen ihren Landesgeschäftsführer.

Bei den Vorzugsstimmen auf der Bezirkswahlliste Eisenstadt-Umgebung (in der BgM WOLF auch als Listenerster geführt war) erhielt WOLF mit deutlichem Abstand die meisten Vorzugsstimmen (3.652 Vorzugsstimmen). Von allen Kandidaten der Bezirkswahllisten über das gesamte Land betrachtet erhielt BgM WOLF die zweitmeisten Stimmen. Markus ULRAM, ÖVP Listenerster im Bezirk Neusiedl holte mehr: 3966 Vorzugsstimmen.

In Hornstein hat Christoph WOLF als amtierender Bürgermeister 365 Vorzugsstimmen erhalten, bei 2.468 Wahlberechtigten und 1.769 abgegebenen Stimmen.

Von der SPÖ stellte sich Gemeinderat Rainer SCHMITL der Wahl. Im Gegensatz zu BgM Christoph WOLF kandidierte SCHMITL nicht auf der Landesliste. Er stand lediglich auf der Bezirksliste für den Wahlkreis 2 (Eisenstadt-Umgebung) auf Platz 10 der SPÖ KandidatInnenliste. Rainer SCHMITL erhielt im Wahlkreis Eisenstadt-Umgebung 412 Vorzugsstimmen und hielt knapp den 10. Platz.

In Hornstein erhielt SCHMITL 274 Vorzugsstimmen.

Somit konnte BgM Christoph WOLF in Hornstein deutlich mehr Vorzugsstimmen auf seine Person vereinigen als der Kandidat der SPÖ Rainer SCHMITL.

Türkise Welt

Angesichts all dieser Ergebnisse ist es allerdings bemerkenswert, dass die türkise ÖVP in Hornstein trotz seit 2017 bestehender Gemeinderatsmehrheit mit BgM WOLF an der Spitze nur ein Ergebnis mit lediglich 2 Promillen Gewinn erzielen konnte (2015: 28,51% zu 2020: 28,53%). Man kann das nun mit der Person Hans Peter Doskozil und den mit ihm verbundenen Wahlkampfthemen Mindestlohn im öffentlichen Sektor, Anstellung von Pflegeangehörigen, Bio-Wende etc., erfolgreich eingerahmt im Slogan „Burgenland pur“ erklären. Rasch ist dieser Erfolg der SPÖ auf eine Persönlichkeitswahl des überragend wirksam scheinenden Landeshauptmanns reduziert, so wie es Bgm. Christoph WOLF u.a. gegenüber der BVZ in für ihn passender Weise darzustellen versucht hat, um so von eigenen Verantwortlichkeiten für dieses Ergebnis abzulenken und diese nicht zu kommunizieren, was politstrategisch natürlich durchaus nachvollziehbar ist.

Fest steht jedenfalls, dass in dieser Wahl BgM WOLF mit „seiner“ Burgenländischen und Hornsteiner türkisen ÖVP bis hin nach Großhöflein und Leithaprodersdorf mit einem Werbeaufwand sondergleichen auffuhr. Plakate pflasterten seinen Weg. Wiederholt wurden Give-Aways vor der Kirche, dem Kindergarten und der Volksschule ausgegeben bzw. an den Haustüren deponiert. Für Hornstein und Umgebung war es ein Werbeaufwand in bislang nicht gekanntem Ausmaß. Entlang der B16, bis hin nach Großhöflein, war BgM WOLF auf Groß- und Kleinplakaten prominent in der Mitte zwischen seinen beiden Chefs, Sebastian KURZ und Thomas STEINER, platziert. Man konnte angesichts dieser Plakatoffensive fast den Eindruck gewinnen, dass nicht Thomas STEINER, sondern Christoph WOLF als ÖVP Spitzenkandidat im Burgenland oder zumindest im Bezirk kandidierte. Zudem wurde mit den Ministern Karoline EDTSTADLER und Heinz FASSMANN prominente bundespolitische Unterstützung nach Hornstein geholt.

Das war vermutlich eine Welt, die sich Christoph WOLF mit seinem Wahlkampfteam zurechtzimmerte. Nach den deutlichen ÖVP Wahlerfolgen in Vorarlberg, der Steiermark, in Niederösterreich und im Bund, sollte man nun mit allen erdenklichen Werbemitteln endlich auch im Burgenland entscheidend mitmischen um auch hier wieder an Regierungsämter und -posten zu kommen.

Es nützte alles nichts. Die Ergebnisse sprachen für sich. Bundeskanzler KURZ, der gemeinsam mit Ministerin EDTSTADLER am Wahlnachmittag den Weg in die Eisenstädter ÖVP Parteizentrale fand, tat für sich das einzige mögliche: er verschwand kommentarlos. Gewinner verlieren nicht. Sogleich wandte er sich schnell dem am selben Wahltag ungemein erfolgreicheren niederösterreichischen Parteifreund Bgm. Klaus SCHNEEBERGER zu. Dieser konnte in Wr. Neustadt die Gemeinderatswahl für sich entscheiden.

In Eisenstadt blieben eine Ministerin, ein Spitzenkandidat und auch ein Landesgeschäftsführer, Hornsteins Bürgermeister Christoph WOLF, zurück. Die JournalistInnen des ORF und der Regionalmedien warteten bereits.

Damit stellt sich letztlich die Frage, wie BgM WOLF in dieser Situation weiter agieren wird. Im Interview für die BVZ wird er folgendermaßen zititert: „Ich muss für mich selber überlegen, wie ich weitermache.“ Eine Entscheidung kündigte er mit kommender Woche an. Diese blieb bis heute offen.

Rote Welt

Auch die Hornsteiner SPÖ müsste sich nun fragen, wie es trotz deutlich wahrnehmbarer Schwierigkeiten in der Oppositionsarbeit im Gemeinderat möglich war, einen derartigen Erfolg bei der Landtagswahl einzufahren.

SPÖ Spitzenkandidat Landeshauptmann Hans Peter Doskozil war für einen großen Teil der Wählerinnen und Wähler, wie von den Wahlforschern am Wahlabend behauptet wurde, ein Hauptmotiv bei dieser Wahl der SPÖ die Stimme zu geben. Aus Sicht der SPÖ Hornstein könnte eigentlich festgehalten werden, dass das nunmehrige Landtagswahlergebnis bereits das dritte für sie positive Wahlergebnis in Folge ist. Die Europawahl und die Nationalratswahl 2019 konnte die SPÖ Hornstein stimmen- und prozentmäßig jeweils für sich entscheiden und dies interessanterweise obwohl kein derart zugkräftiger Kandidat für sie ins Rennen dieser beiden Wahlen gegangen war.

Christoph WOLF und sein türkises ÖVP-Team haben von dieser Warte aus betrachtet nach ihrem siegreichen Einzug in den Hornsteiner Gemeinderat im Jahr 2017 alle drei nachkommenden Wahlgänge verloren. Mit Bundeskanzler Sebastian KURZ wird dementsprechend in Hornstein sobald nicht zu rechnen sein.

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich nun für einen interessierten Beobachter die Frage, ob und wie die Hornsteiner SPÖ diesen Trend nutzen wird.
Kann die SPÖ Hornstein in der für 2022 geplanten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl die Wahlniederlage von 2017 ausmerzen und erneut reüssieren?
Kann die SPÖ Ortspartei bis dahin das in Hornstein offensichtlich vorhandene Wählerpotential für sich entscheidend nutzen?
Wird BgM WOLF mit seiner scheinbar finanziell überreichlich ausgestatteten Marketingmuskelkraft für eine zweite Amtszeit werben?
Welche Kandidatin oder welchen Kandidaten wird die SPÖ bis dahin aufbauen, die oder der im Wahlvolk entsprechend ankommt, dem amtierenden Bürgermeister wirksam Paroli bieten und ihn dann auch in der anstehenden Wahl tatsächlich schlagen kann?

Wie heißt es doch in einer gut und nachhaltig funktionierenden Demokatie immer wieder so schön plakativ: Nach der Wahl ist vor der Wahl!

Kommentare anzeigen (2)
  1. Danke für die punktgenaue Analyse. Für mich zusammengefasst ist die Aussage folgende:

    In Hornstein drei Wahlen hintereinander verloren. Die Begründungen spannen sich situationselastisch und damit ganz im „Politikersprech“ von „im Herzen tiefrote Gemeinde“ bis zu „es war ja eine Persönlichkeitswahl“.

    Aber Hornstein hat einen Politiker als Bürgermeister gewollt und Hornstein hat einen Vollblutpolitiker bekommen.

    Wie vermutlich viele Hornsteinerinnen und Hornsteiner finde ich auch die aufgeworfenen Fragen zur SPÖ spannend: „Was/Wen setzt die SPÖ Hornstein diesem mit allen Wassern gewaschenen Vollblutpolitiker entgegen?“

    Vorerst bleibt aber abzuwarten, wie die vollmundige Ankündigungspolitik unseres Vollblutpolitikers ausgeht. Wird er nach der Aufgabe seiner hochdotierten Hauptbeschäftigungen endlich mehr Zeit für Hornstein haben?

    1. Update zum Interview in der BVZ (Doris Fischer, 29. 01. 2020) in der Wolf noch für diese Woche (Kalenderwoche fünf) eine Entscheidung ankündigt.

      Nun – vier Wochen nach dieser Ankündigung – scheint es so weit zu sein. Medienwirksam wird am 19. Februar im Kurier eine Pressekonferenz für den 20. Februar angekündigt.

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Über diese Initiative

Die Initiative Zukunft Hornstein ist ein Dialog- und Bürgerforum für die Menschen der Gemeinde Hornstein.

Wir sind ehrenamtlich engagiert und haben es uns zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen in Hornstein zu verfolgen, darüber zu informieren, Ideen einzuholen sowie selbst einzubringen, kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.

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