Der Schaukasten der ÖVP.

Ist es Zeit?

ÖVP-Krise: Was bedeutet diese für das Team Wolf?

Im Zusammenhang mit den mutmaßlich von Steuergeldern bezahlten und frisierten Meinungsumfragen verkündete Sebastian Kurz am 9. Oktober 2021 seinen Rücktritt als Bundeskanzler. Wegen der Korruptionsvorwürfe (es gilt die Unschuldsvermutung) überschlagen sich seither die Ereignisse. Das Projekt Ballhausplatz (siehe Falter, Archiv), also die ab 2014 offenbar von langer Hand geplante Übernahme der „alten“ ÖVP durch das Team Kurz und dessen Akteur*innen der etwas später aus der Taufe gehobenen „neuen“ Volkspartei, scheint nun vor dem Abbruch zu stehen. Ein Abbruch in Raten. Beinahe täglich tauchen neue Details rund um die Chatprotokolle und Inseratenaffäre der neuen Volkspartei auf.

Unter dem Titel Zwischen Türkis und Schwarz – Wohin steuert die ÖVP? widmete man sich am 17. Oktober 2021 im TV-Talkformat »Im Zentrum« des ORF dem gegenwärtig alles dominierenden innenpolitischen Ausnahmezustand. Dr. Franz Fischler (ÖVP) warnte die zum TV-Talk ebenso eingeladene Bundesministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) davor „zu glauben, man kann nun in die alte ÖVP zurückkehren, wie sie vor Kurz war“. Einst war Fischler selbst Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei. Insofern ist der Appell gegenüber seiner späteren Ressortnachfolgerin und Parteikollegin Elisabeth Köstinger (Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) zumindest bemerkenswert. Dieser diente wohl einer trefflichen Vermessung der Tiefe jener Furche, die durch den Grund und Boden der neuen ÖVP, aber eigentlich Österreichs, geackert wurde. Dr. Fischler warf zudem die Frage auf, „wie ernst es die ÖVP mit der Korruptionsbekämpfung, der Transparenz und der Unabhängigkeit der Justiz hält um gegenüber der Bevölkerung glaubwürdig zu sein”. Für den Politologen Fritz Plasser befände sich die ÖVP überhaupt in der schwersten Krise ihrer Parteigeschichte. Und NEOS-Gründer, Ex-Politiker und systemischer Organisationsberater Matthias Strolz hat es gegenüber Ministerin Köstinger noch deutlicher, direkter formuliert: „Elli, es ist aus” und legte nach: die Lüge wäre bei ihm (Kurz) ein Standardinstrument. Laut Matthias Strolz müsse die ÖVP anerkennen, dass sie sich bei der Übernahme der zum damaligen Zeitpunkt durch Dr. Reinhold Mitterlehner geführten ÖVP-Bundespartei durch Sebastian Kurz mit „Haupt (sic!) und Haar“ einer fragwürdigen Clique ausgeliefert hätte und führte weiter aus: Die ÖVP wurde von einer Clique übernommen, die über Menschen, die bei einer Bezirksbehörde in der Warteschlange stünden, von Tieren und vom Pöbel spräche und die 2017 und 2019 die Wahlen mit mutmaßlich illegalen und korrupten Praktiken erschlichen hätte. Die Bevölkerung ließe sich das nicht bieten und die ÖVP „müsse sich daher personell, strukturell und inhaltlich-strategisch erneuern“, so Strolz. Das sind allesamt harte Ansagen. Vor wenigen Wochen, als das System Kurz noch funktionierte, erschien all das für gelernte Österreicher*innen nicht vorstellbar. So schnell kann es gehen.

Aus lokalpolitischer, also aus Hornsteiner Sicht, könnte man alldem natürlich entgegenhalten, es wäre eben das harte Geschäft der Bundespolitik. Es betrifft uns nicht. Aufgrund der Trag- und Reichweite der im Raum stehenden Verdachtsfälle und des daraus resultierenden demokratischen Haltungsschadens für die ÖVP, muss man sich dennoch die Frage stellen, ob angesichts der seit 2019 beinahe durchgängig türkis eingefärbten politischen Landkarte Österreichs ein genaueres Hinschauen auf den ländlichen Raum nicht doch zwingend erforderlich ist.

Wie also sieht türkise Lokalpolitik am Land, im ruralen Österreich, aus? Hornsteins Bürgermeister hat das noch vor der Parteiumfärbung eher behäbige Pferd ÖVP-Alt nicht nur türkis aufgezäumt. Dem neuen Parteibild entsprechend tat er dies mit großem Eifer und Aufwand. Er hat es auch ordentlich geritten. Dies führt nun zur Frage, wie denn die neue Volkspartei in Hornstein mit dieser Krise umgehen wird. Obwohl diese, bundesparteipolitisch betrachtet, hausgemacht ist, spricht man in der Krisenkommunikation bei einer solch plötzlich auftretenden Krise aus PR-Sicht von einer „Meteor Crisis“. Es ist eine Form der Organisationskrise, die regelrecht vom Himmel fällt. Im aktuellen Fall erscheint dies geradezu passend, schließlich fielen die Vorwürfe auch aus der Daten-Cloud, in Form wiederhergestellter Chat-Protokolle. Diese fördern (es werden laufend neue Chat-Protokolle veröffentlicht) das Denken der neuen ÖVP zu Tage und ergeben ein regelrecht bizarres Bild über den „Dienst am Land“ (Köstinger) durch die ÖVP. Die scheinbare Abgehobenheit der Akteur*innen wird durch die aus den Chats abgeleiteten Vorwürfe Wort für Wort offengelegt. Für PR- und Krisenkommunikationsberater gehört die strategische Vorbereitung auf Krisen als Maßnahme zur Schadensbegrenzung, sofern sie dann eintritt. Man möchte eben vorbereitet sein. In diesem Krisenfall ein Ding der Unmöglichkeit. Kurz ist zum zweiten Mal nicht mehr Kanzler.

Doch wie soll der türkise Bürgermeister, der Christoph Wolf scheinbar durch und durch ist, mit einer solchen Krisenform und Situation umgehen? Er ist schließlich nicht dafür verantwortlich. Aber er vertritt in seiner Kommunikations- und PR-Arbeit durchgängig dieselben Werte der nun vom Himmel fallenden neuen Volkspartei, seiner „Familie“. Natürlich, als Bürgermeister einer ca. 3200 fassenden Einwohnergemeinde verfügt er selbstverständlich nicht über den eigentlichen Gestaltungsrahmen der neuen Volkspartei. Daher kann er das Problem nicht aus der Welt schaffen oder daschlogn, wie es unlängst hieß. Es bleibt aber „picken“.

Wie geht es nun, vor dem Hintergrund der ÖVP-Krise, mit der türkisen Volkspartei in Hornstein unter der Christoph Wolfs Führung weiter? Fest steht: viele Leute sind vom nun offenbar gewordenen neuen Stil der ÖVP ziemlich „angfressen“. Aktuelle Umfragen zeugen davon. Wird man versuchen dem bemühten Spin der Bundespartei zu folgen oder wendet man sich gar ab? Um Peter Pilz (ZackZack) sinngemäß zu zitieren: „Sebastian Kunz? Nie gehört!“. Werfen wir zunächst einen Blick auf ersteres: die Gegenattacke als Möglichkeit. Stichwort „Glashaus“. Dort solle man bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Wer aber wäre auf lokalpolitischer Ebene in Hornstein damit überhaupt angesprochen? Die SPÖ Ortspartei als einzige Oppositionspartei im Gemeinderat? Um die ist es allerdings still geworden. Aus demokratiepolitischer Perspektive ist das bedauerlich, schließlich ist für aufmerksame Beobachter*innen keine effektive oppositionelle Kontrolle der rathausführenden ÖVP unter Wolf erkennbar. Diese Funktion fällt nun mal der SPÖ Hornstein aufgrund des letzten Wahlergebnisses zu. Machen die Tranzparenzberichte [1]Der Hinweis zu den Transparenzberichten wurde nachträglich ergänzt. der Gemeinde bzw. die des Steuerberaters Christoph Wolf, die demokratische Kontrollfunktion der Opposition in den Augen der Gemeindebürger*innen gar obsolet? Sollen sie das? Oder könnten wir es sein, die Initiative Zukunft Hornstein, die mit Steinen im Glashaus wirft? Wir wollen den Hornsteiner*innen ein Bürger*innen- und Dialogforum sein und u.a. das Geschehen kommentieren. Wir sind vielleicht nervig. Aber schuldig? Wir, die IZH suchen das Gespräch mit den Leuten und können daher sagen, viele sind ziemlich angfressen: über laufende Projekte der Gemeinde, dem Stil bzw. dem Umfang der Gemeinde- und Parteienkommunikation und nicht zuletzt der Schwierigkeit dies auseinanderzuhalten. Ja, es gibt Menschen in Hornstein, die sind ob der lokalpolitischen Situation enttäuscht. Das erzählen uns die Leute beinahe unisono im Zuge unserer unlängst begonnenen Ausfahrten mit dem neuen Wurschtradl.

Uns, der IZH, kann man natürlich vorwerfen, wir würden aus einer eigenen Blase heraus agieren. Verständlich, aber auch gar nicht so wichtig. Viel wichtiger: Seit Oktober 2017, also seit den letzten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen liegen ohnehin „harte“ Zahlen am Tisch. Drei Wahlgänge seit 2017 (Europawahlen, Nationalratswahlen und Landtagswahl) konnte die ÖVP unter Christoph Wolf in Hornstein nicht für sich bzw. nicht zu Gunsten der neuen Volkspartei entscheiden. Dies hatten wir bereits kommentiert. Der nächste Countdown läuft schon. In einem Jahr, voraussichtlich im Oktober 2022 wird wieder gewählt. Aber aufgrund dieser hemdsärmeligen, ja geradezu manischen Speed-Kills-Politik und überbordenden PR-Arbeit des Bürgermeisters, bei der kaum noch jemand mitkommt, fühlen sich scheinbar viele Bürger*innen überfordert bzw. genervt.

Auf die eigentliche Frage zurückkommend: was wird Bürgermeister Christoph Wolf, wie Kurz ebenfalls Jahrgang 1986, nun tun? Wird er die größte Krise der ÖVP seit Gründung der Partei (Fritz Plasser) ignorieren bzw. aussitzen, also etwas, das die ÖVP in den letzten Jahren zur Perfektion getrieben hat, nämlich Kritik geflissentlich abperlen zu lassen? Sozusagen, es ist ihm alles Wurscht, aber er ist es nicht? Oder wird die ÖVP wieder doch schwarz? Etwas, das sich zumindest Franz Fischler (ÖVP) nicht vorstellen kann? Oder wird sich Bgm. Christoph Wolf ob der sich nun wohl langsam auflösenden türkis-juvenilen Seilschaften in die Unabhängigkeit begeben und gar eine eigene Liste gründen um die nunmehr sich verdoppelten Altlasten (einmal schwarz, einmal türkis) der ÖVP loszuwerden? Vielleicht: Liste WOLF (Wir Oder Linke Fundis)? Innerhalb der Gemeinde kursieren ja bereits seit längerem diverse Gerüchte über etwaige Listengründungen im Vorfeld der 2022 bevorstehenden Gemeinderatswahlen.

Oder kommt alles ganz anders? »Es ist Zeit«, plakatierte Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017. Laut ÖVP Burgenland Landesgeschäftsführer Christian Sagartz befindet sich die Partei in turbulenten Zeiten. Ist es nun Zeit? Und für wen? Ist nach fünf Jahren der Bürgermeisterei alles getan und Christoph Wolf steigt gar zwei Etagen höher nach Wien in Richtung Bund? Gut möglich, dass dort in naher Zukunft einzelne Stühle neu zu besetzen sind. Das richtige Alter hätte er.

 


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Fußnoten und Quellen

Fußnoten und Quellen
1Der Hinweis zu den Transparenzberichten wurde nachträglich ergänzt.

Über diese Initiative

Die Initiative Zukunft Hornstein ist ein Dialog- und Bürgerforum für die Menschen der Gemeinde Hornstein.

Wir sind ehrenamtlich engagiert und haben es uns zum Ziel gesetzt, die Entwicklungen in Hornstein zu verfolgen, darüber zu informieren, Ideen einzuholen sowie selbst einzubringen, kritisch zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.

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